Seid gegrüßt!
Heute habe ich die große Ehre ein Buch vorzustellen, das mich seit langer Zeit sehr fasziniert und das ich immer wieder von neuem verschlinge.
Joachim Fernau´s „Caesar lässt grüßen“!
In diesem Werk fasst Fernau die gesamte Geschichte (!) des Imperium Romanums zusammen. Doch wer nun ein staubtrockenes Buch erwartet in dem die wichtigsten Ereignisse und Personen chronologisch aufgelistet sind, der wird leider enttäuscht. Der Autor nimmt den Leser bei der Hand und führt ihn auf fast 400 Seiten persönlich durch das alte Rom.
Sein Erzählstil wird von Kritikern oft als „Plauderstil“ bezeichnet und als unsachlich kritisiert. Ich dachte daher, ich gebe Euch einen kleinen Einblick sodass Ihr euch selbst eine Meinung bilden könnt und habe hierfür drei Ausschnitte gewählt.
Numero Uno:
„Aber was höre ich, Sie waren noch gar nicht in Rom? Dann geben Sie mir Ihre Hand, wir wollen zusammen zum Forum Romanum gehen.
Ich bin in diesem Augenblick Ihr Cicerone. Das Wort kommt, wie Sie richtig erraten, von Cicero. Es bezeichnet einen Mann, der beredter ist und faszinierender spricht als Marcus Tullius Cicero. In Fremdenverkehrsorten hat das Wort mitunter den mitleidigen Beigeschmack eines Schwätzers. Ich füge das für meine Kritiker hinzu, um ihnen die Möglichkeit eines Scherzes zu geben.
Lassen Sie uns nicht die große Prachtstraße hinab zum Eingang, dem heutigen Eingang mit der Kasse, gehen, und schauen Sie vorläufig auch nicht rechts oder links, schließen Sie die Augen, ich führe sie.
Wir biegen rechts ab, die Straße steigt etwas an, es ist die Via del Tulliano. Was Sie hören, ist nicht das Rauschen und Raunen der Volksversammlung, es sind Autos. Und es ist nicht der Duft des alten Roms, der uns umweht, sondern der Duft der großen Welt, meist Shell und Esso. Hier ist ein Geländer, drehen Sie dem Verkehr den Rücken, ehe…. Sie sagen, wir wollten doch zum Forum Romanum? Aber, meine liebe Begleiterin (falls männlich: das Wort »liebe« durch »verehrter« ersetzen), wir stehen ja mitten drauf! Diese fabelhaft praktische Straße zerschneidet das Kopfende des alten Forums genau zwischen dem Fuß des Kapitols und den Forumsfeld.
Und nun, mit dem Rücken zu den Autos, öffnen Sie die Augen, keine Angst, ich halte Sie.
Ja, das ist das Forum Romanum. Jetzt wollen wir versuchen, aus den Ruinen das alte Rom erstehen zu lassen. Direkt unter uns steht der Triumphbogen des spät-römischen Kaisers Septimius Severus. Zur Zeit des Augustus endete hier die Via Sacra (wenn man den Aufstieg zum Kapitol nicht mitrechnet). Nur eine kleine goldene Pyramide, deren verwittertes Fundament man noch rechts neben dem Triumphbogen in der Erde erkennt, erhob sich hier. Wir wissen nicht genau, wie sie aussah, aber wir wissen, was sie bedeutete: Sie war der Ausgangspunkt aller Reichsstraßen und zeigte die Entfernungen von hier, dem Mittelpunkt der römischen Welt, zu den Provinzen an.“
Nun habt Ihr vielleicht einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie Fernau es vermag die lokalen Gegebenheiten zu beschreiben. Die „Welt am Sonntag“ hat über das Buch folgendes geschrieben: „Die Geschichte vom Anfang und Ende des römischen Reiches – locker und saftig, ironisch und mitunter bissig. Kein Gang durchs historische Wachsfigurenkabinett, sondern Begegnung mit »lebenden« Menschen.“
Ich habe lange überlegt was ich als zweite Textstelle herausschreiben könnte, um diese "Begegnung mit lebenden Menschen" klar darzustellen und habe mich für einen Ausschnitt aus der Beschreibung des Kaiser Augustus entschlossen.
Der Ausschnitt ist herausgenommen aus einem fiktiven Gespräch zwischen Kaiser Augustus, der zu Beginn Octavian hieß, und Maecenas, einem guten Freund von Augustus. Man verzeihe mir, dass die Textstelle etwas länger ist…
Numero Duo:
Augustus: (...) „Kleopatra soll ja jetzt angeblich eine vogelköpfige Göttin sein, was glaubst du, welchen Kopf sie jetzt trägt?«
»Du bist ein bisschen zynisch, Augustus. «
»Aber nein! Eine Million Ägypter, oder ich weiß nicht wie viele, glauben es. Übrigens habe ich heute Nacht, als ich nicht schlafen konnte, beschlossen, ein Gebot vorzubereiten, dass alle Welt sich schätzen lässt. «
»Was?«
»Ich werde alle Menschen des Imperiums zählen und registrieren lassen. «
»Ja, um der Götter willen, was für ein Einfall!«
»Ich will genau wissen, wer wo wann wie lebt. Womit wir rechnen müssen. «
»Du siehst mich sprachlos. Und wozu das?«
»Ich weiß nicht. Ich habe das Gefühl,. dass sich die Konsequenzen erst noch ergeben werden. Ich greife in die Zukunft. Jetzt muss ich schlafen, Maecenas. «
»Ja, leg dich hin. Du, solltest nicht so spät in der Nacht arbeiten! «
»Sondern? Am Tage lässt man mir keine Ruhe; die Audienzen, die Amtshandlungen, die Familie, meine Tochter, die mir Sorgen mit ihrem Lebenswandel macht. Abends muss ich Gäste einladen. Auch heute kommt ein Tisch voll. Du weißt, wann man isst: um fünf Uhr. Dann ist also schon der Nachmittag weg. Dann würfeln wir noch ein Stündchen...«
»Neulich sollst du fünfzigtausend Denare gewonnen haben? «
»Woher weißt du das denn schon wieder? «
»Und du hast dir die Schuld nicht bezahlen lassen! Wie kannst du nur! Und wenn du verlierst?«
»Das ist etwas anderes. Caesar zahlt immer. (Kleine Anmerkung: "Caesar" ist hier nicht auf Gaius Julius Caesar bezogen, sondern auf Caesar als Amt. - Res)
Auch wenn meine Familie irgendwo eingeladen ist, gebe ich jedem tausend Denare mit. Aber nun lass mal das Geld! Ich wollte sagen, ich liege da und höre zu, rede wenig und erfahre interessante Dinge oder auch nicht. Dann verabschiede ich mich. Ich wünsche, dass sich niemand dadurch stören lässt, ja, ich wünsche nicht einmal, dass sie sich erheben. Geht's freundlicher, Maecenas? Ich verdufte also und beginne zu arbeiten. Gestern habe ich die Richtlinien für eine Rechtsreform aufgestellt - stelle dir vor, man hat bisher keinen Unterschied zwischen Besitz und Eigentum gemacht! - und ich habe über die Schätzung nachgedacht, statt zu schlafen. Heute Nacht und morgen muss ich die Berichte aus den Provinzen durcharbeiten, ich habe das ganze System der Steuerpachtungen abgeschafft, alle Beamten werden fest besoldet. Übermorgen beginnt der Staatsakt der . . . «
»Hast. du das alles nicht gewollt, Augustus? Ist das nicht dein Ziel gewesen? «
»Ach, Maecenas! Mein Ziel war, Julius Caesars Gedanken zu verwirklichen. Er hat gespürt, dass wir als Volk alt geworden sind und dass wir die Demokratie zu einem Marterinstrument gemacht haben. Das Principat sollte eine neue weltgeschichtliche Epoche einleiten und Rom von dem Fluch und der Zwangsvorstellung der Bürgerkämpfe befreien. Ich habe Caesars Testament erfüllt - ist Rom glücklich? «
»Ich glaube; Ja, ich weiß. «
»Bin ich glücklich? Du schweigst. Ich habe dauernd Hunger, komisch. Hast du ein paar Feigen? «
»Sofort. Als wir noch jung waren, früher, als du noch Octavian . . . «
»Sprich nicht weiter, Maecenas! Es gibt kein Früher und ich war nie jung, es muss ein anderer gewesen sein. Vale, Maecenas, ich lege mich jetzt schlafen.
Und hinter uns, im wesenlosen Scheine,
liegt, was uns alle bändigt, das Gemeine.«
»Ovid?«
»Goethe.«“
So, das war ein kleines Beispiel dafür wie Fernau die Personen des alten Roms dem Leser greifbarer macht.
Die dritte Textstelle ist herausgegriffen aus dem Kapitel über den berühmten zweiten punischen Krieg, den Krieg gegen Hannibal.
Numero Tres:
„Aber nun kamen vorzügliche Nachrichten. Rom hatte zwei neue Konsuln gewählt, einen Patrizier, dessen Namen sich zu merken überflüssig ist, und einen Plebejer, Terentius Varro, überzeugten Anhänger von Flaminius, aus ähnlichem Holz geschnitzt, einen dynamischen Mann.
Rom setzte die Rüstungen, die schon Fabius Maximus in Eile begonnen hatte, fiebrig fort. Man legte alle Scheu ab und presste in Rom und bei den Verbündeten weit über hunderttausend Mann heraus. Man machte auch vor der Regierung, dem Senat, nicht halt. Er hatte damals dreihundert Mitglieder, alle wehrfähigen wurden eingezogen.
Man drückte den beiden Konsuln fünfundachtzigtausend Mann in die Hand, ein riesiges Aufgebot, und schickte sie gemeinsam in Richtung Apulien, wo Hannibal gerade lagerte. Genau gesagt: am Aufidus, der ein nettes, erfrischendes Flüsschen ist.
Die Nachricht erfreute den Karthager auf das höchste.
Der Patrizier, jener, dessen Namen wir uns nicht merken wollten, war leider von fabischen Ideen angekränkelt und entschlossen, an den Tagen, an denen er turnusmäßig das Oberkommando hatte, kein Risiko einzugehen. Ganz anders Varro. Auch er war entschlossen, kein Risiko auf sich zu nehmen, und er kehrte auch tatsächlich unversehrt nach Rom heim, während sein Kollege zusammen mit achtzig Senatoren fiel. Aber den Volkswillen, der auch sein eigener war, wollte er vollstrecken.
Er war gewillt, die entscheidende, befreiende Schlacht zu schlagen, eine Schlacht, die in die Geschichte eingehen sollte.
Es wurde die Schlacht von Cannae am 2. August 216 v. Chr.
Sie ging in die Geschichte als Muster ein. Genau 2130 Jahre später, im August 1914, hat Hindenburg sie bei Tannenberg Punkt für Punkt wiederholt.
Fünfundachtzigtausend Römer standen vierzigtausend Karthagern gegenüber. Hannibal wandte die alte griechische Taktik an, sein Zentrum eindrücken zu lassen und die nachströmende Masse des Feindes mit starken Flanken zu umklammern. Varro hatte an so vieles gedacht, daran leider nicht.
Cannae wurde die schwerste Niederlage, die Rom in seiner Geschichte je erlitt. Fünfzigtausend blieben auf dem Schlachtfeld, ein Berg von Toten, wie ihn nie vorher jemand gesehen hatte. Zwanzigtausend wurden gefangen. Das Volk von Rom hatte seine gewünschte Schlacht erhalten. Wer war schuld?
Niemand. Denn wer ist das: »Das Volk«?
Der römische Senat empfing seinen Ministerpräsidenten, Volksfreund Varro so, wie er nicht anders konnte, nämlich formell und mit gesetzten Worten. Fast musste er den Mann in seinem Unglück trösten. Mit »Unglück« meine ich nicht die Niederlage und die fünfzigtausend Toten, sondern sein - wie ein Professor an einer westdeutschen Universität gegenwärtig lehrt »Missgeschick, die Niederlage zu überleben, während sein patrizischer Kollege gefallen war«. Der andere Kerl hat wieder mal Glück gehabt; dem Varro dagegen ist und ist und ist es nicht gelungen, zu fallen.
Aber er trug es mannhaft, denn - so fährt der Professor fort - »Varro ergriff gleich die nötigen Maßnahmen und fand auch in der folgenden Zeit Verwendung.«
Diese Farbenlehre, meine Freunde, gebe ich Ihnen für heute Nacht zum Nachdenken.“
Somit wäre nun auch die dritte und letzte Textstelle abgehakt. Ich hoffe ich habe die richtigen gewählt um den ein oder anderen für dieses wirklich fabelhafte und sehr interessante Buch begeistern zu können. Um es noch mal zu verdeutlichen, das Buch handelt wirklich die gesamte Geschichte Roms ab. Für manche von euch mag das nicht verwunderlich sein, doch wer die ungefähren Ausmaße des Imperiums Romanums kennt, weiß was für eine Leistung das ist.
Das Buch ist uneingeschränkt empfehlenswert, JEDER sollte das gelesen haben, auch die Geschichts-Muffel unter euch, denn unsere gesamte Zivilisation hat zu einem sehr großen Anteil ihre Wurzeln in diesem Imperium. Unser Kalender ist der Julianische Kalender von Julius Caesar, viele unserer Straßen wurden von den Römern angelegt, unsere Sprachen sind größtenteils romanische Sprachen, also Sprachen die sich aus dem Latein der Römer entwickelt oder sich damit zumindest vermischt haben usw.. Die gesamte zivilisierte Kultur wie wir sie heute kennen basiert auf Rom, daher sollte jeder um die Geschichte Roms wissen, wie ich finde.
Hier die Daten für Interessierte:
Verlag: Herbig
ISBN: 3-7766-0547-2
Schließen möchte ich mit einem Zitat von Beda Venerabilis:
Solange das Kolosseum steht, steht Rom.
Wenn das Kolosseum fällt, fällt Rom,
wenn Rom fällt, fällt die ganze Welt.
Resurrected
PS: Ich möchte anmerken, dass Joachim Fernau im zweiten Weltkrieg als Kriegsberichterstatter der SS gearbeitet hat. Sollte irgendjemand hier sich durch seine Vergangenheit gestört fühlen, darf er mir das gerne per PN mitteilen. Ich werde jedoch keine Diskussion in diesem Thread darüber dulden. Danke.