Der türkische Premier Erdogan legt im Schul-Streit mit Bundeskanzlerin Merkel nach: Er unterstellt der deutschen Regierungschefin "Hass gegen die Türkei". Kanzlerin Merkel ist inzwischen in Ankara eingetroffen - eine brisante Mission.
Istanbul - Die Fronten zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich kurz vor dem Besuch der deutschen Regierungschefin in Ankara verhärtet. Erdogan legte im Streit um die von ihm geforderten türkischen Schulen in Deutschland nach. Während einer Reise in Libyen kritisierte Erdogan die Ablehnung seines Vorschlags. "Warum dieser Hass gegen die Türkei? Ich verstehe es nicht", sagte Erdogan demnach am Wochenende mitreisenden türkischen Journalisten. "Das hätte ich von der Bundeskanzlerin Merkel nicht erwartet. Ist die Türkei ein Prügelknabe?"
Erdogan hat sich einen heiklen Zeitpunkt für seine Äußerungen ausgesucht: Merkel ist an diesem Montag zu einem politisch brisanten zweitägigen Besuch in die Türkei gereist. In Ankara kommt sie mit Staatspräsident Abdullah Gül und Erdogan zusammen. Zu den Themen gehören die schleppenden Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Nato-Partner Türkei, die Lage in der Region mit Blick auf Iran und Israel sowie der schwierige Versöhnungsprozess der Türkei mit Armenien. Am Dienstag besucht Merkel Istanbul. Es ist ihre zweite Türkei-Reise als Kanzlerin.
Nach dem öffentlich ausgetragenen Streit zwischen Merkel und Erdogan über den EU-Beitrittswunsch und über die Forderung nach Einrichtung türkischer Schulen in der Bundesrepublik erwarten türkische Medien, dass der Besuch von diesen Problemen überschattet wird. Auf Merkel warteten schwierige Gespräche, schrieb die regierungsnahe Zeitung "Zaman" am Montag.
Der türkische Oppositionsführer Deniz Baykal lehnte nach den Differenzen ein Treffen mit Merkel in Ankara ab. Baykal sagte der Zeitung "Vatan" vom Montag, er werde an einem Empfang Merkels in der deutschen Botschaft in der türkischen Hauptstadt nicht teilnehmen. Baykal wandte sich gegen das Angebot, wie andere Oppositionspolitiker am Rande des Empfangs jeweils zehn Minuten mit der Kanzlerin sprechen zu können.
Böhmer stellt sich im Schulstreit hinter Merkel
Zu Merkels Delegation gehört auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). Sie gab Merkel Rückendeckung und sprach sich ebenfalls gegen türkische Gymnasien in Deutschland aus. "Wir sollten uns dem Kern des Problems widmen und das heißt: Wer auf Dauer hier in Deutschland lebt, muss wirklich gut die deutsche Sprache beherrschen, um erfolgreich zu sein", sagte Böhmer am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Deutsche Schulen in der Türkei seien keine Rechtfertigung für die Einrichtung türkischer Gymnasien in Deutschland. Es gebe zudem in Berlin und anderen Städten bereits Schulen, in denen Türkisch unterrichtet werde, sagte die Politikerin.
"Viele wissen gar nicht, dass Türkisch auch Abiturfach sein kann", sagte Böhmer. Es komme darauf an, wie sich die Schülerschaft an einer Schule zusammensetze. Sorge bereite ihr, "dass die, die hier leben, und das sind gerade Kinder und Jugendliche, nicht genügend Deutsch sprechen, sagte Böhmer. "Damit klappt oft der Schulabschluss und die Einmündung in eine berufliche Qualifizierung nicht." Deutschkenntnisse könnten in Integrationskursen und durch frühestmögliche Spracherziehung erworben werden. Das sollte eigentlich keine Diskussion mehr sein, sagte Böhmer.
spiegel.de
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