Soll die kleine Charlotte sterben dürfen?
Da steht die Vernunft der Ärzte gegen die Liebe der Eltern: Soll ein frühgeborenes Baby, das mit schwersten Gesundheitsschäden auf die Welt gekommen ist, sterben dürfen, wenn es aufhört zu atmen? Ein Londoner Gericht gab den Ärzten Recht, die die kleine Charlotte nicht künstlich am Leben erhalten wollen - und stellte damit die Ansicht der Ärzte über den Willen der Eltern.
Wie viele Schmerzen, wie viel Leid kann man einem Menschen, und sei er noch so jung, zumuten, indem man ihn künstlich am Leben erhält? Geht es nach Darren und Debbie Wyatt, soll ihr schwer geschädigtes Frühchen unter allen Umständen am Leben erhalten werden, auch wenn es aus eigener Kraft zu atmen aufhört. Sie sehen sich als überzeugte Christen und verlangen, dass alles medizinisch Mögliche unternommen wird, ihr Kind nicht sterben zu lassen.
Doch das Gericht entschied anders. Dennoch wollen sie nicht in die Berufung gehen. "Ich glaube nicht, dass jede weitere aggressive Behandlung, auch wenn sie zur Verlängerung des Lebens notwendig ist, in ihrem besten Interesse ist", hieß es in dem Richterspruch. Stattdessen sollten die Eltern, wenn Charlotte im Sterben liegen sollte, ihr die letzten Stunden so angenehm wie möglich gestalten.
"Ein Leben voll Schmerz und Leid"
Das Baby war im Oktober vergangenen Jahres drei Monate zu früh auf die Welt gekommen, wog nur gut 370 Gramm und kann weder sehen noch hören. Es hat schwere Hirn-, Lungen- und Nierenschäden. Im Laufe der Anhörung vor Gericht hatte ein Arzt des behandelnden Portsmouth- Krankenhauses gesagt, Charlottes Leben sei ausschließlich von "Schmerz und Leid bestimmt", sie würde die frühe Kindheit keinesfalls überleben. Das Kind liegt in einem Brutkasten und muss permanent mit Sauerstoff versorgt werden. Mehrfach hat sie bereits aufgehört zu atmen. Die Eltern hatten sich gegen die Haltung der Ärzte gestellt, das Baby sterben zu lassen. Daraufhin war der Betreiber des Krankenhauses vor Gericht gezogen.
"Sie hat das Recht, in Frieden zu sterben"
In der britischen Öffentlichkeit hat das Urteil kontroverse Diskussionen ausgelöst. In Kommentaren der britischen Zeitungen wurde das Urteil überwiegend positiv aufgenommen und teils als "salomonisch" bezeichnet. Auch wenn das Mitgefühl bei den Eltern sei, seien doch "die Rechte von Eltern nicht unantastbar. Auch diese haben ihre Grenze", kommentierte der "Guardian": "Charlotte hat auch Rechte, inklusive das Recht, in Frieden zu sterben und nicht in verlängerten Todesqualen."
Das wurde auch in den Kommentaren zahlreicher Menschen deutlich, die ihre Reaktionen per Internet an die BBC schickten, die extra eine Website zu der Entscheidung des Londonder High Courts eingerichtet hatte. "Welches Recht haben wir, nur weil wir über die technischen Möglichkeiten verfügen, ein Baby künstlich am Leben zu erhalten, wenn es nur einem langsamen und qualvollen Tod entgegenblickt", schrieb etwa Matt Ballard aus Burnham-On-Sea. Auch von einem "Sieg für die Menschlichkeit" war die Rede.
"Herzzerreißender Fall ohne Gewinner"
Andere wiederum stellten das Recht auf Leben über alles andere und betonten das Recht der Eltern. "Ebnet dies den Weg für die legale Euthanasie in diesem Land?", fragt Mark Stickley aus Cambridge. "Fragen wie diese müssen von den Eltern entschieden werden und nicht vom Staat", schrieb Nigel Kilpatrick aus Poole. In einer weiteren E-Mail hieß es: "Dies ist ein herzzerreißender Fall ohne Gewinner."
Flehen um ein anderes, besseres Sein
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ICH