[Bericht] Fallaci, Oriana - Wir, Engel und Bestien
Das Buch, das ich heute vorstellen möchte, trägt den Titel "Wir, Engel und Bestien" und stammt von Oriana Fallaci. Die bekannte Journalistin begibt sich in die Hölle von Vietnam und schildert in Tagebuchform ihre Erlebnisse während der Jahre 67 und 68.
Dabei ist ihr Anliegen mehr als eine bloße Schilderung des Vietnamkriegs. Politische Ziele und Konflikte kommen grob durch, stehen aber hinter den persönlichen Erlebnissen und Gedanken.
Diese Gedanken sind es wohl, die für Fallaci im Zentrum stehen. So entstammt schon der Titel des Buches einer Stelle des Theologen Pascal und das Buch beginnt (durchaus pathetisch) mit dem Versuch auf die Frage ihrer kleinen Schwester "Was ist Leben?" eine Antwort zu finden. So finden sich auf den gut 300 Seiten zahlreiche Stellen, die versuchen eine Antwort zu geben und ihre Gefühle und Gedanken betonen. Dabei ist positiv anzumerken, dass sie ihre Übnerlegungen immer wieder refelektiert, kontextualisiert und auch verwirft. Sie kommt jedoch stellenweise nicht über einen niederen Existentialismus hinaus. Die Faszination des "Tatsächlichen" und ein Jargon der Eigentlichkeit bricht immer wieder durch. Die Vietkong erscheinen anfangs als natürliche Rebellen gegen Vitamingedopte Killermaschinen, denen nicht ihr legitimes Ziel sondern ihre Natürlichkeit zu gute gehalten wird.
Jedoch ist auch hier zu betonen, dass sie dieses Bild verändert und verwirft und zu einer vernünftigen Begründung ihrer Position gelangt.
Im Hauptteil stehen jedoch die Erlebnisse in Vietnam. Diese sind, immer persönlich gefärbt, bildreich und gut geschildert. Die Begegnungen sind sehr gut vorstellbar und die Charaktere, die sie trifft, erscheinen in ihrem Facettenreichtum als Menschen.
Stellenweise ist kaum vorstellbar wie sie all diese Menschen kennenlernen konnte. So spricht sie unter anderem mit Loan, demjenigen Polizeikommandanten, welcher durch die Erschießung eines gefesselten Vietkong auf offener Straße traurige Berühmtheit erlangen sollte, und begleitet ihn bis zum Krankenbett.
Eingeflochtene Tagebücher von Vietkong schaffen es auch die "Gegenseite" authentisch darzustellen und ihre kritische Herangehensweise weiß Maß zu halten.
Dass die letzten Seiten in Mexiko spielen und ihre Verwundung während des Massakers von Tlatelolco schildern, betont noch einmal wie wichtig ihr die Darstellung der Grundfrage ist, und dass sie dafür auch den (Vietnam)Schauplatz verlässt, ohne ihn freilich in den Überlegungen zu vergessen.
Mit diesem Buch ist ihr ein wirklich menschliches Buch gelungen, in dem sie den Vietnamkrieg in seinen menschlichen Konflikten schildert und die Leser in Atem hält. Dass sie dabei teilweise gnadenlose Aufklärerin ist, zeigt sich auch in der stellenweise unverblümt beschriebenen Gewalt. So verschweigt sie auch Folter und Handlungen menschlicher Abgründigkeit nicht. Dies tut sie keineswegs in skandalöser Absicht, so dass es sich in Grenzen hält. Den Magen verderben kann so manche Schilderung jedoch trotzdem.
Mittlerweile ist das Buch scheinbar nur noch (dafür recht günstig) im Antiquariat erhältlich.
Herz voll Leid und Missgeschick,
Das voll sehnsucht Eden sucht,
Weine! - Oder sei verflucht!
Baudelaire